Heute am 03. Juli, dem Todestag des militanten Antifaschisten Max Braun, versammeln wir uns auf dem erst 2012 offiziell eingeweihten Max-Braun-Platz hier in Saarbrücken – auf einem Platz, der als öffentlicher Raum sinnbildhaft ist für den Umgang der Stadt und ihrer Repräsentant*innen mit Geschichtspolitik und Erinnerungskultur. Die Benennungspraxis, der der Name Max Braun unterworfen war, zeigt deutlich, dass die schiere Sichtbarkeit im Stadtbild ideologisches Instrument ist. Wir sind nicht weit von der ehemaligen Max-Braun-Straße, die 1956 umbenannt wurde in Großherzog-Friedrich-Straße. Die sichtbare Erinnerung an einen absolutistischen Feudalherren löschte also jene an den Widerstandskämpfer im Stadtbild aus – eine nachträgliche politische Exekution durch jene, auf deren Plakaten während dem Abstimmungskampf, wie im Falle der DPS, prangerte “Wir sind wieder da!” Wir wollen die Erinnerung wachhalten.
Zwischen den Heiligen, lokalen Regentinnen, preußischen Herrschergattinnen finden wir auch sie: Angela Braun, Hanna Kirchner, Cora Eppstein in Saarbrücken, Lenchen Weber in Merzig. Doch immer noch ist weiblicher Widerstand wenig sichtbar. Wenn wir genau hinsehen, entdecken wir etliche Saarländerinnen, die sich der Barbarei des deutschen Faschismus, seiner Friedensfeindlichkeit und dem verbrecherischen Antisemitismus entgegengestellt haben, und die als Frauenrechtlerinnen eben jenes konventionalisierte Rollenverständnis, das die Geschichte von Frauen unerzählbar und unsichtbar machen will, zu durchbrechen suchten. Da war Lilli Hermann-Ries. 1927 Naturfreundejugend, 1929 “Bund werktätiger Frauen”, 1931 KPD, ab 1932 als einzige Frau Abgeordnete des Landesrats, Referentin bei einer Vielzahl an Kundgebungen und Versammlungen der Einheitsfront, angesichts der Lynch-Atmosphäre nach der Abstimmung, bei der 90% der Saarländer*innen für Hitler stimmten: Flucht ins Exil, mehrfach interniert, schließlich von der Gestapo verhaftet und bis zur Befreiung Deutschlands im Mai 1945 eingesperrt. Da war Maria Röder. 1929 Bruch mit der SPD, Engagement im “Bund werktätiger Frauen”, 1932 Trennung vom Ehemann, ohne finanzielles Polster, Umzug in das, was man heute Frauen-WG nennen würde, in der Kaiserstraße 2, ab 1933 KPD, Frauenleiterin von St. Johann, aktive Kämpferin für den Status quo, 1935 von den Nazis festgenommen, im Zuge eines Massenprozess gegen Antifaschist*innen von der Saar verurteilt, Zuchthaus, Polizeiaufsicht, auch nach dem zweiten Weltkrieg: Nie abreißendes politisches Engagement. Da waren Aline Söther, Lydia Schlosser, Lena Wagner, Jutta Speicher, Maria Loersch, Käthe Kirschmann, Lina Heß. Da waren mehr. Und auch die Worte dieser Rede nennen sie nicht alle beim Namen. Viele sind auch hier unsichtbar.
Wir wollen die Erinnerung wachhalten. Auch wenn mehr Sichtbarkeit im öffentlichen Raum ein wünschenswerter Anfang wäre, so ist es eben nur ein Anfang. Mehr Blumen und Pickelhauben braucht jedenfalls kein Mensch auf den Straßenschildern. Nicht zuletzt mit Black Lives Matter steht Erinnerungskultur auf dem Prüfstand. Nicht alleine Black Lives Matter zeigt, wie tief Rassismus in der Mitte verwurzelt sind. Gegen Rassismus, Antisemitismus, Sexismus und Homophobie!! Für eine emanzipatorische, solidarische Gesellschaft!